Ö II – Klausur im 2. Staatsexamen November 2012 (Hessen)
In dieser Rechtsanwaltsklausur war ein Gutachten und ein Schreiben ans Gericht oder an die Mandantin zu verfassen.
Die Mandantin betreibt eine „gewerbliche Zimmer-Vermietung“ in Mainz-Kastel (gehört trotz des Namens zu Wiesbaden) namens „Villa-Kastel“. Das Haus liegt in der … str., die nach § 5 der Sperrgebietsverordnung der Landeshauptstadt Wiesbaden zum Sperrgebiet gehört. Nach der Beschreibung auf der Homepage können Kunden dort in stilvoller Atmosphäre und vollkommener Diskretion Spaß und Entspannung bei bis zu 10 Damen nach Terminvereinbarung finden. Im Erdgeschoss befinden sich neben Bad, WC und Küche auch ein Raum mit einem Whirlpool. Über die große weitläufige Treppe gelangt man zu vier „Themenzimmern“, die mit keinen persönlichen Gegenständen ausgestattet waren. Ein weiteres Zimmer wird von der Mandantin selbst bewohnt. Eines der Themenzimmer sie dauerhaft an Frau … vermietet.
Eines Tages wurde um 10:00 Uhr die Villa durch einen Beamten des Ordnungsamtes und drei Polizisten durchsucht. Ohne richterlichen Beschluss kamen sie durch die Tür, die offen gewesen sei, in die Wohnung und weckten die Mandantin aus dem Schlaf. In Anwesenheit eines männlichen Beamten musste sie sich anziehen. Dann wurden die Zimmer durchsucht. Der Mandantin wurde erklärt, dass Prostitution im Sperrgebiet nicht zulässig sei. Sie hielt dem von der Situation überrumpelt nichts sinnvolles entgegen.
Noch am selben Tag erging eine Untersagungsverfügung, die sich auf §§ 11, 6 HSOG iVm SperrgebietsVO stützte. Zudem wurde der Sofortvollzug gem. § 80 II Nr. 4 VwGO angeordnet und mit Schließung gedroht, sollte die Mandantin dem nicht selbst nachkommen.
Begründet wurde die Untersagung mit einem Verstoß gegen § 181a StGB und § 120 OWiG. Letztlich mit einem Verstoß gegen § 5 der Sperrbezirksverordnung. Demnach ist der Betrieb von Dirnenwohnheimen und vergleichbaren Häusern außerhalb der Straßen … verboten. Die Mandantin sei Verhaltensstörerin gem. § 6 HSOG, da ein Vorgehen gegen die Mieterinnen wenig erfolgversprechend sei.
Dagegen legte die Mandantin Widerspruch ein, der zurückgewiesen wurde.
Ihr Haus sei kein Dirnenwohnheim, sondern zulässige Wohnungsprostitution.
Das Haus weise keinen Bordellcharakter auf. Weder locke das Haus typische Laufkundschaft an, noch werde durch Leuchtreklame oder Plakate Werbung dafür gemacht. Auch Schulen usw. gäbe es in der Nähe keine, so dass der Jugendschutz nicht betroffen sei.
Im Widerspruchsbescheid wurde aufgeführt, warum es sich nicht um bloße Wohnungsprostitution handele.
Daraufhin erhob die Mandantin Klage. Da der Sofortvollzug angeordnet wurde, wusste sie nicht was weiterhin zu tun ist und bittet den Bearbeiter als Anwalt ihres Vertrauens um Rat. Ein Eilverfahren solle auch dann bestritten werden, wenn die Erfolgschancen nicht so hoch sind, da ihr jedwede zeitliche Verzögerung zu Gute komme.
Fundstellen:
– zur Schließung eines Bordells (Fragen der EGL und Störerauswahl) vgl. zB VGH Kassel, NVwZ 1992, 1111;
– zur Abgrenzung zur Wohnungsprostitution vgl. VGH Kassel, NVwZ-RR 1992, 622;
– zur Frage des § 120 OWiG vgl. zB OLG Zweibrücken, MMR 2008, 468